Das Galaktikum


Kommentarnummer: 1176

Heftnummer: 2052

Erschienen: 01.01.1970

Betrifft die Begriffe:

Galaktikum    

   

Autor:

Rainer Castor

Erster Teil:

2052

Weitere Teile:

            



Wenn wir die galaktische Geschichte seit dem Auftreten der Terraner auf dieser Bühne einmal Revue passieren lassen, fällt leider auf, daß Zeiten, in denen mehr oder weniger funktionierende »gesamtgalaktische Strukturen« existiert haben, schon recht lange vorbei sind.
Einen ersten und für rund 200 Jahre durchaus erfolgreichen Versuch gab es mit der Galaktischen Allianz und dem Vereinten Imperium, entstanden als Reaktion auf die Bedrohung durch Posbis und Laurins. In jene Zeit fiel auch die Gründung der alten USO am 1. Juli 2115, einer damals ebenso anerkannten wie respektierten, wenngleich vielleicht von dem einen oder anderen nicht ganz so gerne gesehenen Organisation. Mit dem Zerfall von Galaktischer Allianz und Vereintem Imperium begann dann aber ein Prozeß, der eher in Rivalität und Kleinstaaterei mündete: Im vormals arkonidischen Einflußbereich entstanden Tausende rivalisierender Duodezmonarchien, die Akonen köchelten an ihrem eigenen Süppchen, und Terra bekam ebenfalls Probleme mit seinen Abkömmlingen, wie schon das Beispiel von Iratio Hondros Plophosern zeigte.
 
Spätestens nach dem Großangriff der Dolans auf das Solsystem und den sich daraus ergebenden Folgen wurde auch hinsichtlich des Solaren Imperiums eher von einem »Sterbenden Imperium« gesprochen. Aus abgefallenen Kolonien gingen neue Konstellationen wie Carsualscher Bund, Imperium Dabrifa und Zentralgalaktische Union hervor. Sicher, das Solare Imperium blieb eine starke Großmacht. Aber die übrige Galaxis zeigte sich um so zerrissener, nicht zuletzt auch, wenn wir an die als »Bruderkriege« titulierten Auseinandersetzungen zwischen den Blues-Völkern nach dem Ende der Gataser-Hegemonie denken. Hinzu kamen dann Katastrophen wie die Schwarm-Verdummung: Angesichts der wahren Dimensionen dieser Zäsur, die eigentlich jeden Verstand überfordert, verwundert es nicht einmal, daß hier Verdrängungsmechanismen und »Verharmlosung« folgten. Aber man stelle sich konkret vor: Eine ganze Galaxis mit Billionen Lebewesen wird auf prätechnisches Niveau zurückgeworfen! Niemand hat die Abermilliarden Opfer gezählt, aber es gab sie...
 
Und die nächste Zäsur folgte schnell mit dem Hetos der Sieben. In jene Zeit fiel dann auch der zunächst eher belächelte zweite Versuch zur Schaffung gesamtgalaktischer Strukturen: Galaktische Völkerwürde-Koalition, in der Kurzform GAVÖK, war die von Atlan gewählte Bezeichnung für die im Dezember 3580 neugegründete Allianz der galaktischen Völker, deren oberstes Ziel darin bestand, die Invasoren des Hetos der Sieben mit vereinten Kräften wieder aus der Milchstraße zu vertreiben. Die Vereinigung umfaßte zunächst nur die wirtschaftliche und militärische Macht der Beteiligten und war ein Völkerbündnis auf freiwilliger Basis. Die politischen und weltanschaulichen Vorstellungen ließen sich ungleich schwerer auf einen gemeinsamen Nenner bringen, doch infolge der allen galaktischen Völkern drohenden Gefahr durch das Konzil wurden sie notgedrungen weit in den Hintergrund gestellt. Das GAVÖK-Forum als oberstes Gremium bestand aus Vertretern aller 381 Mitgliedsvölker; die Posbis hatten einen ständigen Vertreter im Forum, ohne selbst Vollmitglied zu sein, die Haluter hielten sich zurück.
 
Die modifizierte Satzung der GAVÖK, seit 127 NGZ in Kraft, beinhaltete folgende Punkte:
 
Die GAVÖK-Partner verpflichteten sich, untereinander Frieden zu wahren
Eine Einmischung in interne Probleme eines Volkes durch die GAVÖK war unzulässig.
Die GAVÖK-Partner verpflichteten sich zur gegenseitigen Hilfeleistung gegen jeden Feind oder Angreifer, wenn der Angegriffene durch Antrag um Hilfe ersuchte und das Forum dem Antrag mit mindestens Vierfünftelmehrheit zustimmte. Vorher war zu prüfen, ob die Bedrohung nicht mit diplomatischen Mitteln beseitigt werden konnte.
Die GAVÖK verfügte über keine eigene Kampfflotte, sondern die Flotten blieben in der ausschließlichen Hoheit der Mitgliedsvölker, obwohl im Ernstfall das Forum die von den Mitgliedern abgestellten Verbände führte.
 
Im Jahr 429 NGZ ging aus der GAVÖK das Galaktikum als eine Art Galaktisches Parlament hervor, in dem alle Milchstraßenbewohner vertreten sein sollten. Bei seiner Gründung bestand es aus insgesamt 383 Mitgliedsvölkern, von denen die meisten allerdings von den großen Nationen - Blues, Arkoniden, Terraner - abstammten. Das oberste Prinzip des Galaktikums war der Konsens: Keine Entscheidung durfte die lebenswichtigen Interessen eines Mitgliedsvolkes verletzen - was im Extrem auf Selbstblockade hinauslaufen konnte, ja mußte, wenn es hart auf hart kam. Ziel des Galaktikums war, neben der Förderung des weiteren Zusammenwachsens der galaktischen Zivilisationen einen der Kosmischen Hanse ebenbürtigen Machtfaktor in der Milchstraße zu bilden. Auf dem Papier war das Galaktikum zuständig für Außenpolitik, Verteidigung, Beziehungen zur Kosmischen Hanse und alle sonstigen Fragen, die die gesamte Milchstraße betrafen: Währung, galaktisches Recht und dergleichen. Im Jahr 445 NGZ betrug die Zahl der im Galaktikum vereinten Milchstraßenvölker genau 400.
 
Während der Monos-Diktatur war das Galaktikum nur eine Farce, danach wurde es neu errichtet, geriet nach kurzem Aufschwung aber immer mehr in die Interessenkonflikte der galaktischen Großmächte. Tagungsort war anfangs das im Verlauf der Tolkander-Invasion zerstörte Humanidrom im Orbit von Lokvorth; seit 1290 NGZ ist es Mirkandol auf Arkon I. Sicher kann (und muß!) man über Erfolg oder Mißerfolg beziehungsweise Versagen des Galaktikums, vor allem seit seiner Ansiedlung auf der Kristallwelt, trefflich streiten. Stets ist bei einer solchen Betrachtung aber zu berücksichtigen, daß Strukturen und Organisationen wie das Galaktikum nur so viel wert sein können, wie ihnen von den Mitgliedern beigemessen wird. Und in dieser Hinsicht lag und liegt vieles im argen..


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