Hintergrund zu VATROX-VAMU (1)
Für die Vatrox – einschließlich Lucba Ovichat als maßgeblicher Forscherin – blieb der »tiotronische Hyperimpuls«, mit dem Wissen weitergegeben und zugänglich gemacht wurde, als Ursache für ihre Entwicklung letztlich ein Rätsel. Wann, von wo und vor allem von wem er ausgestrahlt wurde, fanden sie nicht heraus. Es musste allerdings vor langer Zeit in weiter Ferne geschehen sein – und es war eine Emission von für Vatrox unvorstellbarer Leistungsstärke.
Im Gegensatz zu den Vatrox haben wir weitergehende Informationen. Wir können davon ausgehen, dass es sich bei diesem »tiotronischen Hyperimpuls« um nichts anderes als die Prior-Welle der Soberer handelte, die an anderer Stelle die Kelosker ebenso wie die Kaiserin von Therm entstehen ließ. Inwieweit sich auf der Basis dieser Erkenntnis eine räumliche Nähe zur Heimatgalaxis der Vatrox ergibt, muss allerdings offenbleiben.
Die Soberer waren die Bewohner des Planeten Blosth im Seerkosch-System; die Galaxis Golgatnur ist rund 129 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt. Von Golgatnur bis Balayndagar (»einsamer Kleiner«), dem Kugelsternhaufen der Kelosker, waren es etwa 83 Millionen Lichtjahre. Die 3500 Sterne waren vor langer Zeit und im Verlauf einer kosmischen Katastrophe aus der benachbarten Großgalaxis Balayn (»die Einsame«) herausgerissen worden und hatten sich bis ins 36. Jahrhundert auf eine Distanz von rund 400.000 Lichtjahren entfernt. Balayn wiederum ist etwa 66 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt.
Die Duuhrt, wie die Kaiserin von Therm auch genannt wurde, ging als Superintelligenz in der Galaxis Nypasor- Xon aus einem kosmischen Urnebel hervor, aus dem die Sonne Yoxa-Santh und ihre 18 Planeten entstanden. Die eingefangene soberische Prior-Welle formte die kristal• linen Strukturen der Kaiserin, die sich später zu einem ungeheuren kristallinen Strang zwischen dem dritten – Drackrioch – und vierten Planeten zusammenfügten. Nypasor-Xon ist rund 58 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße und etwa 108 Millionen Lichtjahre von Golgatnur entfernt. Nach der Vereinigung mit BARDIOC entstand aus den beiden Superintelligenzen eine neue: THERMIOC.
Wenn wir uns diese Entwicklung vor Augen halten, braucht jene der Vatrox genau genommen nicht zu verwundern. Aus Lucba Ovichats Forschungen ging hervor, dass der tiotronische Hyperimpuls das Vatar-System erreichte, als hier die Sonne Vatar, der Planet Vat und der Braune Zwerg Pem in Konjunktion standen – eine Konstellation, die sich alle neunzig Vat-Jahre wiederholte. Auf diese Weise wurde der Hyperimpuls eingefangen und erst wieder freigegeben, als Pem sich von Vatar entfernte.
Die Absorptionszeit genügte allerdings, um einige Veränderungen zu bewirken. Einerseits blieb ein Teil der dem tiotronischen Hyperimpuls aufgeprägten Informationen erhalten, vielleicht sogar ein Nachhall der Prior- Welle an sich. Andererseits entstanden sowohl in Vatar als auch in dem Braunen Zwerg Pem als »Nebenprodukt« tiefrote Hyperkristalle, die mit der Zeit unter anderem bei intensiven Sonneneruptionen als mikroskopisch kleine Partikel ins Vatar-System geschleudert wurden. Normalerweise zerfielen sie nach einer gewissen Zeit und zerstrahlten zu Hyperenergie, es sei denn, sie wurden vorher eingefangen und zu größeren Kristallen vereint, die dann auch unter den Bedingungen des erhöhten Hyperphysikalischen Widerstands stabil waren. Sie wurden später von den Vatrox Tiovam genannt.
Beides zusammen – das Wissensecho, das jeweils am Tag der größten Annäherung von Pem an Vat am stärksten war, sowie die Tiovam-Hyperkristalle in Vatar und Pem – führte zur Initialzündung und erklärte auf diese Weise das plötzliche Auftreten der mentalen Fähigkeiten der Vatrox-Frauen. Weshalb die Veränderung der Sonne keine Auswirkungen auf die Männer zeitigte, blieb dagegen unklar.
Ein weiterer Effekt war die enge und zunächst eher unbewusste Verbundenheit mit diesem »Hintergrundrauschen«. Dieses konnte zwar nicht mit normalen Hyperfunkgeräten empfangen werden und blieb normalerweise im natürlichen Rauschen Vatars unbemerkt, stand tatsächlich aber für die »Stimmen der Toten«. Alle gestorbenen Vatrox speisten nämlich ihr Vamu ein, beobachteten die Lebenden und wirkten unbemerkt auf ihre Entwicklung ein.
Der Begriff Vamu bedeutet »Erster/Erstes/das Erste/ das Einzige/das Einzigartige« – er wurde für die Vatrox zum Synonym für das nicht Flüchtige ihres Wesens, für etwas, das nach wie vor mit Umschreibungen wie geistige Existenz, Bewusstsein, Seele oder ÜBSEF-Konstante nur unzureichend umschrieben wird, für die Vatrox allerdings Realität war und sie in ihren Augen zu etwas Einzigartigem machte.
Rainer Castor
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