Halbraum-Technologie (II)


Kommentarnummer: 1871

Heftnummer: 2747

Erschienen: 01.01.1970

Betrifft die Begriffe:

   

   

Autor:

Rainer Castor

Erster Teil:

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Als Modell für den Halbraumeffekt wird auch der Phasenübergang einer Aggregatzustandsänderung verwendet. Bei diesem dient die spezifische Energiezufuhr dazu, den Zustand eines Objekts dergestalt zu verändern, dass es nicht mehr dem Standarduniversum, sondern dem Halbraum angehört. Ende Dezember 2043 alter Zeitrechnung war es gelungen, ein Druuf-Überlicht-Triebwerk zu erbeuten sowie einen Druuf gefangen zu nehmen, der zur Technik seines Volkes befragt werden konnte. Schon nach vier Wochen war das Prinzip ausreichend exakt erkannt.
 
Eine der am bekanntesten gewordenen Darstellungen der Wirkungsweise des Druuf-Antriebes stammte von Professor Peter K. H. Lawrence vom Terrania Institute of Technology (TIT), die – anders als er es sich vorstellte, Zitat: Der Versuch, ein Bild, ein Modellbild zu entwerfen, geht hart an die Grenze des Erlaubten (PR 82) – in die Lehrbücher der Technik einging und dort für Jahrhunderte unverändert blieb.
 
Man kann ein Stück fester Materie erhitzen. Man kann ihm Wärme zuführen, und für jede Kalorie, die dem Stück zugeführt wird, erhöht sich seine Temperatur, je nach der spezifischen Wärme der Materie, um einen bestimmten Betrag an Graden. Aber man wird schließlich einen Punkt erreichen, an dem die zugeführte Wärme nicht mehr dazu verwandt wird, die Temperatur des Probestücks zu erhöhen, sondern dazu, seinen Aggregatzustand zu ändern. Nehmen Sie als konkretes Beispiel ein Stück Eis, H2O im festen Aggregatzustand, um es genau zu sagen. Wir fangen bei minus zehn Grad Celsius an, das Eis zu erwärmen. Je mehr Wärme wir ihm zuführen, desto höher wird seine Temperatur, bis wir den Wert null Grad Celsius erreichen. Wenn wir Eis bei null Grad Wärme zuführen, erwärmt es sich zunächst nicht weiter, sondern schmilzt. Es bleibt bei einer Temperatur von null Grad, bis es ganz zu Wasser geworden ist, also H2O-flüssig, und erst dann wird die zugeführte Wärme wieder verwandt, um die Materie, nun das Wasser, auf höhere Temperatur zu bringen. Die Wärmemenge, die wir bei null Grad zugeführt haben, ohne dass sich die Temperatur dabei erhöht hätte, nennen wir die Schmelzwärme des Eises, auf das Mol bezogen: die molare Schmelzwärme.
 
Sie werden mich, zukünftige Galaktonauten, die Sie sind, fragen, was denn das schmelzende Eis mit Ihrem Beruf als Raumfahrer zu tun habe. Lassen Sie mich das Ihnen erklären: Sie führen Ihrem Schiffstriebwerk Energie zu, und das Triebwerk erhöht die Geschwindigkeit Ihres Schiffes. Dieses Prinzip funktioniert, wie Sie wissen, nicht grenzenlos. Wir haben bisher geglaubt, dass wir eine ganz bestimmte Grenze, nämlich die Lichtgeschwindigkeit, auf diese Weise nicht überschreiten könnten.
 
Die Druuf glauben das nicht mehr. Ebenso wie wir führen sie ihren Triebwerken Energie zu, um die Geschwindigkeit zu erhöhen. Aber dann kommt der Punkt, an dem die zugeführte Energie nicht mehr dazu verwandt wird, die Geschwindigkeit zu erhöhen, sondern dazu, den Zustand des Fahrzeuges zu verändern – nennen Sie es meinetwegen den Aggregatzustand, um im Bild zu bleiben. Natürlich wird nicht aus dem bisher festen Schiff ein flüssiges Schiff, wie beim Eis, sondern der Zustand des Schiffes ändert sich in der Weise, dass es nach Zufuhr eines bestimmten Energiebetrages nicht mehr dem vierdimensionalen Kontinuum, sondern einem übergeordneten Raum angehört.
 
Es ist also ähnlich wie beim Eis: Die Funktion, die die Temperaturzunahme pro Masseneinheit und pro zugeführter Wärmemengeneinheit in Abhängigkeit von der Temperatur beschreibt, verläuft kontinuierlich bis zum Schmelzpunkt, dort hat sie eine Unstetigkeit, eine Zacke. Man sagt: Dort ist zu einer beliebig kleinen Änderung der Temperatur eine Zufuhr einer endlichen Wärmemenge notwendig.
 
Ähnlich beim Druuf-Raumschiff: Geschwindigkeitszunahme pro Massen- und Energieeinheit, als Funktion der Geschwindigkeit aufgetragen, ist eine kontinuierliche Funktion – bis zu jenem Grenzpunkt. Dort entsteht eine scharfe Zacke, einer Delta-Funktion ähnlich. Sie markiert die Stelle, an der die zugeführte Energie dazu verwendet wird, das Schiff in einen anderen Ordnungszustand zu versetzen. Bitte, meine Herren, werten Sie das nicht mehr als einen Vergleich. Er hinkt sogar an mancher Stelle. Die Struktur der dem Triebwerk zugeführten Energie muss bedacht werden, außerdem die Art des Antriebs – und viele Dinge mehr. Was ich sagte, soll zu weiter nichts dienen, als Ihnen ein Bild von dem Vorgang als solchem zu verschaffen. Denken Sie daran, dass Sie sich in einem Bereich der Wissenschaft bewegen, für den die Unanschaulichkeit unabdingbare Forderung ist. (PR 82) Soweit Professor Lawrence.


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