Halbraum-Technologie (I)


Kommentarnummer: 1870

Heftnummer: 2746

Erschienen: 01.01.1970

Betrifft die Begriffe:

   

   

Autor:

Rainer Castor

Erster Teil:

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Es gab eine Zeit, da galt die Halbraum-Technologie als neues »Nonplusultra«. Es war die Zeit eines Professor Doktor Arno Hieronymus Kalup, die Epoche der ersten terranischen Lineartriebwerke und der späteren HÜ-Schirme. Und es gab eine Zeit, da galt die Halbraum-Technologie eher als überholt, primitiv und zum »alten Eisen« gehörend. Es war die Zeit eines Payne Hamiller, eines Sato Ambush und anderer, die Zeit forcierter Paratron- und Grigoroff-Technologie, die Epoche von Metagrav-Triebwerken und vielfach gestaffelten Paratronschirmen.
 
Aber schon vor den Umwälzungen, die mit dem Hyperimpedanz-Schock von 1331 NGZ verbunden waren, hatte sich immer wieder gezeigt, dass die Möglichkeiten der Halbraum-Technologie längst noch nicht konsequent bis zu ihrem Ende ausgereizt wurden. Eine Einschätzung, die seither immer wieder eher bestätigt denn widerlegt wurde, und wieder einmal beweist, dass es selten angebracht ist, das »Kind mit dem Bade« auszuschütten.
 
Beim Halbraumeffekt wird meist von einem künstlich stabilisierten Schwingungszustand zwischen Normal- und Hyperraum gesprochen – der »Libration«. Der Begriff Halbraum ist hierbei ein Synonym für Zwischenraum, Linearraum, metastabile Halbraumzone, Librationsraum oder instabile Librationszone – wobei Libration (vom lateinischen Libra gleich Waage) ursprünglich in der Astronomie das scheinbare Pendeln des Mondes um eine oder zwei innere Achsen bezeichnet.
Beobachtet wurde der Halbraumeffekt – als Kombination einer Koordinatenverzerrung (vor allem im Bereich der j-Achse) und der Rotation des Feldsystems, wobei das Maß der Verzerrung wiederum eine stetige Funktion der Rotationsgeschwindigkeit ist – beim Kunstplaneten Wanderer während seiner 3,6-stündigen Rotation (PR 69). Vergleichbares wurde mit der Fortbewegung der Druuf-Raumer verbunden. Stets hatte es gewirkt, als befänden sich die Schiffe halb im Hyperraum und halb im Standarduniversum. Die Ortungsergebnisse hatten Werte gezeigt, als würde jemand ununterbrochen, aber ganz gemächlich und langsam aus dem Hyperraum kommen.
 
Es war seinerzeit Atlan, der am 24. April 2042 an Bord der DRUSUS die grundsätzlichen Erklärungen lieferte, auf denen später Professor Kalup aufbaute: Das Einstein-Kontinuum ist ein unanschauliches Gebilde, der Hyperraum ist es noch in weitaus stärkerem Maße. Wie könnte dann die Kreuzung zwischen beiden, der Halbraum, etwas anderes sein?
 
Machen wir uns ein Modell. Stellen wir uns den Hyperraum als ein Gebilde vor, das um ein fünfdimensionales Achsenkreuz aufgespannt ist. Versetzen wir dieses Gebilde in Drehung und messen der einen Hälfte der fünfdimensionalen Kugel, die als Rotationsfigur dabei entsteht, eine höchst merkwürdige Eigenschaft bei: Sie verzerrt die Achsen, die sich jeweils in ihr befinden. Sie verkürzt sie, und zwar ist das Maß der Verkürzung eine stetige Funktion der Rotationsgeschwindigkeit.
 
Beim Eintritt in die verzerrende Kugelhälfte hat die Achse noch ihre ursprüngliche Länge, dann beginnt sie, sich zu verkürzen. In dem Augenblick, in dem sie die Hälfte des Weges durch die verzerrende Kugelhälfte zurückgelegt hat, ist die Achse völlig verschwunden. Danach beginnt sie wieder zu wachsen, und in der Sekunde, in der sie aus der verzerrenden Halbkugel austritt, hat sie ihre ursprüngliche Größe wiedererlangt. Da es sich um eine Halbkugel handelt und das Koordinatengerüst des Hyperraums aus fünf Achsen besteht, sind an der Verzerrung in jedem Augenblick zwei oder drei Achsen beteiligt, niemals mehr und niemals weniger.
 
(...) Da Wanderer in keinem Augenblick sichtbar ist, andererseits aber, nach den Signalen zu urteilen, die die Strukturtaster der Station fortwährend empfängt, niemals völlig dem Hyperraum angehört, muss die fünfte, also die j-Achse, sich in einem Zustand dauernder Verzerrung befinden, ohne jemals ihre volle Länge zu erreichen und ohne jemals ganz zu verschwinden. Denn erreichte sie ihre volle Länge, befände sich Wanderer vollständig im Hyperraum, und die Taster würden keine Signale mehr empfangen. Verschwände sie jemals ganz, dann würde Wanderer im selben Augenblick auf den Bildschirmen auftauchen, denn Verschwinden der j-Achse bedeutet Rückkehr ins Einstein-Universum ... (PR 69)
 
Da sich die beim Halbraumfeld kombinierte Verzerrung und Rotation bis zu einem gewissen Grad auch als »fraktale Faltung« des Raum-Zeit-Gefüges interpretieren lässt, erklärt das die in Verbindung mit dem Halbraum und dem Lineartriebwerk häufig genannte gebrochene Dimensionszahl von »4,5« – und steht für jenes übergeordnete Kontinuum, das sich »zwischen« dem Standarduniversum und dem fünfdimensionalem Hyperraum befindet.


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