Nur eine Farce ? (I)


Kommentarnummer: 1849

Heftnummer: 2725

Erschienen: 01.01.1970

Betrifft die Begriffe:

   

   

Autor:

Rainer Castor

Erster Teil:

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Der Prozess folgt dem Atopischen Recht. So, wie das Recht der Liga Freier Terraner höher steht als das bloße Solare Recht, so, wie das Solare Recht höher steht als jeder regionale Brauch, so steht das Atopische Recht über dem Recht der Liga. Seine Würde bezieht dieses Recht aus dem Wohl, das es für den immer größeren Teil einer Gesamtmenge bewirkt, ohne die geringere Menge oder den Einzelnen rechtlos zu setzen. (PR 2724)
 
Mit diesen Worten eröffnete Matan Addaru Dannoer, Richter des Atopischen Tribunals, am 20. September 1514 NGZ den »Prozess«, von dem die Beobachter im Solsystem und der Milchstraße nicht genau wissen dürften, ob sie über Verlauf, Inhalt und damit verbundene Zusammenhänge eher lachen oder weinen sollen.
 
Schon die Auswahl der einunddreißig »Schöffen« kennzeichnete die für das Atopische Tribunal offenbar völlig normalen »Absurditäten«. Gesucht waren keineswegs so etwas wie Geschworene, die über Schuld oder Unschuld oder über ein Strafmaß befinden sollten – denn: Beides würde diesen Schöffen eine allzu schwere Verantwortung aufbürden –, sondern solche »Personen«, die angeblich der Wahrheitsfindung dienen sollten. Und dazu sollten nach Ansicht des Atopen unter anderem Schöffen gehören, die noch nicht das Mindestalter erreicht haben, das von der Liga für politische Betätigungen festgesetzt worden ist, also Terraner im Alter von zwei oder drei Jahren oder ein wenig älter. Wir wollen der Stimme der Jugend Gehör verschaffen, die in jener Zukunft zu Hause sein wird, die wir bereiten. Wenn die Erziehungsberechtigten diese Jungschöffen begleiten wollen, ist uns das genehm. (PR 2724)
 
Hinzu kamen Vertreter von intelligenzoptimierten Tierarten, Künstliche Intelligenzen sowie mindestens ein Futugen: das simulierte Bewusstsein eines noch nicht Geborenen. Uns ist dabei bekannt, dass die Kalkulation von Futugenen in eurer Zivilisation kaum eine Rolle spielt. Wir aber, die eine Kultur als raumzeitliche Gesamtheit betrachten, wünschen auch die Meinung der Zukünftigen zu hören. (PR 2724)
 
Die Schöffen sollten sich berufen sehen, so der Richter, ihn zu befragen. Schließlich würde der Richter das Urteil verkünden – ein Urteil, das er bereits vor langer Zeit und nach gründlicher Prüfung gefällt habe. Passend wie die berüchtigte Faust aufs Auge dazu die Antwort auf Bostichs Frage, was das für ein Prozess sei, in dem das Urteil von vornherein feststehe. Was für ein Richter wäre ich, wenn ich das Urteil nicht längst kennte? (PR 2724)
 
Im Gegensatz zu den »Schöffen« sollten die beiden Angeklagten – Matan Addaru Dannoer nannte sie »Kardinal-Fraktoren« – beim Prozess nicht selbst anwesend sein. Laut Angakkuq bedeute die Abwesenheit der Angeklagten ihre Schonung; auch vor dem Zorn der Schöffen. Allerdings fand ein Gespräch mit dem Richter statt – angeblich ebenfalls als Teil des Prozesses. Neben diversen vieldeutigen Aussagen gab es in dessen Verlauf eine durchaus entlarvende Aussage des Richters: Auf meinen Reisen hat mich nichts so erstaunt wie die Tatsache, mit welcher Selbstverständlichkeit die Kulturen davon ausgehen, mit ihnen selbst erreiche die Entwicklung ihre Krone. Sie seien das Nonplusultra von allem, das Siegel der Vollkommenheit. (PR 2724)
 
Dass genau das auch und vor allem dem Atopischen Tribunal vorgeworfen werden kann, wurde ebenso ignoriert wie die schon fast zynische Prämisse aufgestellt, die kein Vorrecht des Standes mehr kenne, sondern einen jeden gleich im Recht mache: Nicht der Herr mahle zuerst, sondern der Erste. Und das vor dem Hintergrund zur Antwort auf die Frage, inwieweit es ohne Gesetz eine Strafe geben könne und es nicht legal sei, Gesetze oder Verordnungen rückwirkend zu erlassen – denn die Atopische Ordnung wurde außerhalb der Zeit gesetzt und gilt jederzeit. Ihre Gesetze hatten bereits Geltung, als noch keine Liga, noch kein Solares Imperium bestand. Ja als Terra noch unbelebt war. Von rückwirkend kann deshalb keine Rede sein. Vor allem, weil keine Kenntnis von solchen überzeitlichen Gesetzen dennoch bedeutet: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. (PR 2724)
 
Mit Blick auf die angebliche Kenntnis der Zukunft und dem Hinweis auf Kosmonukleotide, Psionische Informationsquanten und deren potenzielle Zukünfte verkündete der Richter: Wir wissen um sehr viele Kosmogene. Aber wir manipulieren sie nicht. Uns steht eine ganz andere Möglichkeit zur Verfügung, was die Zukunft betrifft.
 
Zu verhindern sei die Ekpyrosis, der zukünftige Weltenbrand von GA-yomaad, wobei Letzteres ein anderer Name für die Milchstraße ist, wie nun erstmals konkret bestätigt wurde. Auch von Julian Tifflor …


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