Moderne Tarnkappen


Kommentarnummer: 1839

Heftnummer: 2715

Erschienen: 01.01.1970

Betrifft die Begriffe:

   

   

Autor:

Rainer Castor

Erster Teil:

Weitere Teile:

            



Um der Wahrnehmung anderer zu entgehen, gibt es mehrere Möglichkeiten: durch Suggestion, sodass man schlicht und einfach »übersehen« wird; materieprojektiv durch ein pseudomaterielles Trugbild ähnlich der Paramodulation der Cynos; durch Pigmentumstellung und Ähnliches in der Art der biologischen Mimese, sodass Gestalt, Farbe und Haltung und dergleichen nicht mehr von der übrigen Umgebung zu unterscheiden sind. Insbesondere Letzteres ist ein durchaus wirkungsvolles und vor allem eigenemissionsfreies Mittel zur Erzielung eines »Chamäleoneffekts«, der durch die chromatovariable Außenbeschichtung bei SERUNS und Camouflage-Anzügen erreicht wird, unter dem Strich aber doch nur eine oberflächliche Tarnung gestattet.
 
Grundsätzlich gilt, dass alles, was Licht nicht bricht, reflektiert oder absorbiert, von keinem anderen gesehen werden kann. So simpel das Prinzip ist, so kompliziert gestaltet sich die tatsächliche Umsetzung bei einem Deflektor, der ein mehrschichtiges hyperphysikalisches Kraftfeld erzeugt, das mit sehr geringer Reichweite die Lichtwellen um den Trägerkörper leitet. Mit anderen Worten: Ein außenstehender Beobachter vermag das geschützte Objekt nicht zu erkennen, da er nur mehr wahrnimmt, was sich hinter diesem befindet. Das allerdings erzwingt eine überaus komplexe, dreifach gestaffelte Feldlinienstruktur, die konturnah und bewegungsflexibel zur Wirkung kommen muss und überdies als paramechanische Rückkopplungseinheit fungiert, um dem Träger selbst das Sehen zu ermöglichen.
 
Einfallendes Licht im Wellenlängenintervall zwischen 200 und 800 Nanometern lassen die äußeren beiden Feldhüllen ungehindert passieren, von der dritten wird es hingegen aufgehalten. Zwischen dieser und der mittleren Feldhülle wird es, ähnlich einem fiberoptischen Leiter, quasihydrodynamisch herumgebogen und erst an dem Punkt geradlinig aus dem Bann entlassen, der dem Eintrittspunkt exakt gegenüberliegt. Wegen dieser Totalumlenkung ist Dunkelheit für den Träger die Folge, da ihn kein Licht mehr erreicht. Um ihm eine Beobachtung der Umgebung zu gestatten, dient die äußere Feldhülle der Rückkopplung: Jene optischen Informationen, die normalerweise die Augen erreicht hätten, werden durch das Deflektorsystem und die Anzugpositronik direkt an das Bewusstsein des SERUN-Trägers übermittelt. Die angewendete Technologie gleicht einer rudimentären SERT-Haube und ist vergleichbar den paramechanischen Emissionen eines Psychostrahlers oder einer Hypnoschulung. Diese mentaloptische Simulation beinhaltet sämtliche Parameter, um sich wie in gewohnter Weise orientieren zu können – von der Intensität über Wellenlänge, Frequenz, Einfallswinkel, Streumaß bis zur Modulation und Polarisation und dergleichen.
 
Sofern nicht zusätzlich auf hyperenergetische Masse- und Konturtaster zurückgegriffen wird, bleibt dem Deflektorträger zwangsläufig die Sicht auf andere in gleicher Weise Getarnte verborgen. Erst die Konfrontation mit den Laurins im 22. Jahrhundert bescherte mit der sogenannten Antiflex-Brille ein Mittel, das Deflektorfelder anhand der Eigenemission erkannte und per positronische Berechnung eliminierte. Folglich wurden Eigenemissionsabsorber entwickelt, die die Antiflex-Systeme wiederum unterliefen und inzwischen meist nur dann noch funktionieren, sofern es sich um aufeinander abgestimmte Deflektoren handelt.
 
Weil das Licht durch die Umlenkung einen geringfügig längeren Weg zurücklegt, kann es mitunter zu leichten Flimmererscheinungen kommen. Konventionelles Radar vermag der Deflektor nicht abzuwehren; aber für eine Radarortung ist ein SERUN-Träger als solcher im Allgemeinen zu klein. Zudem werden die Deflektoren meist nicht nur mit weiteren Antiortungseinrichtungen einschließlich diverser Eigenemissionsabsorber kombiniert, sondern weisen auch rein passive Möglichkeiten auf, um Radarortung zu erschweren beziehungsweise zu unterbinden, ohne selbst aktiv Störsignale auszusenden. Zum Einsatz kommen hierbei absorbierendes Oberflächenmaterial, magnetische wie geometrische Absorber bis hin zur Reduktion der Wärmeabstrahlung durch Oberflächenkühlung, um auch Infrarotortung zu erschweren.
 
Schwachstellen gibt es bei dieser Stealthtechnik dennoch genug: Empfindliche Richtmikrofone, die Normalgeräusche ausfiltern, können Hinweise liefern – Geräusche lassen sich nicht vermeiden, sofern es keine zusätzlichen akustischen Dämpfungsfelder gibt; Bodendetektoren reagieren auf optisch nicht wahrnehmbares Gewicht; hochempfindliche Geräte zur lasergestützten Laufzeitmessung können eventuell die Lichtumlenkung nachweisen; Fußspuren wie platt getretenes Gras bleiben beispielsweise ebenso auf einer Wiese zurück, wie sich öffnende und schließende Türen als Interaktion mit der Umwelt zu erkennen sind …


Alle Seiten, Datenbanken und Scripte © PR & Atlan Materiequelle (1997 - 2019)