Freizeit und Sport


Kommentarnummer: 1144

Heftnummer: 2020

Erschienen: 01.01.1970

Betrifft die Begriffe:

   

   

Autor:

Rainer Castor

Erster Teil:

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Vorbemerkung: Wenn in Science Fiction-Romanen über weit in der Zukunft liegende Entwicklungen fabuliert wird, stellt das stets eine Gratwanderung dar, sei es hinsichtlich technischer, aber auch gesellschaftlicher, kultureller oder sonstiger Entwicklungen.
 
Wie rasch unter Umständen gewisse Darstellungen überholt sein können, sieht man ja schon, wenn man sich frühe Romane der PERRY RHODAN-Serie vor Augen führt und dort von klickenden Relais, ausgeworfenen Stanzstreifen zur Programmierung und vergleichbaren Dingen liest. Aussagen über das in 3000 Jahren übliche Freizeitverhalten und möglicherweise dann aktuelle Sportarten treiben also in gewissem Sinne die Spekulationsfreude auf die Spitze. Um sich der Thematik zu nähern, könnte vielleicht ein entsprechend weiter Blick in die Vergangenheit helfen, um auf dieser Basis zukünftige Entwicklungen zu extrapolieren. Das erste, was wir feststellen müssen, ist die Tatsache, daß der Begriff Freizeit im von uns verwendeten Sinne eine recht neue Erscheinung ist und an die Entwicklung seit der Industriellen Revolution gekoppelt. In den weiter zurückliegenden Jahrhunderten und Jahrtausenden war dagegen so etwas wie »Freizeit« für das Gros der Bevölkerung etwas Unbekanntes. Sicher gab es Zeiten des Müßigganges, der Besinnung, der Regeneration, aber schon vom Grundsatz her lebten die Menschen in einem ganz anderen Rhythmus. Man nehme nur die Bauern als Beispiel: Aussaat, Wachstum, Ernte und Brache im Verlauf der Jahreszeiten bestimmten das Leben, ebenso die Unbilden des Wetters, und das Überleben war geprägt von harter Arbeit - beginnend vor Sonnenaufgang und endend mit Einbruch der Nacht, da künstliche Beleuchtung beispielsweise durch Öllampen oder Kerzen für die einfachen Leute meist zu teuer war.
 
Von Freizeit oder einer gezielten Gestaltung derselben, gar einer »Freizeitindustrie«, konnte in jener Zeit keine Rede sein. Klatsch und Tratsch auf dem Dorfplatz, beim Treffen auf dem Markt oder in Wirtsstuben gehörten natürlich zum Leben, auch Dinge wie das Würfelspiel sind schon sehr lange überliefert. Aber Freizeit, die sich aus der Reduzierung zeitlicher Arbeitsdauer ergibt, war in diesem Sinne nicht bekannt - zumindest nicht in den Kreisen der einfachen Bevölkerung. Als Rechtsbegriff mit der Bedeutung einer »Marktfriedenszeit« tritt »Freyzeit« erst um 1350 in der deutschen Literatur in Erscheinung. Hierzu ein markantes Zitat von Martin Luther: Von Arbeit stirbt kein Mensch; aber von Ledig- und Müßiggehen kommen die Leute um Leib und Leben; denn der Mensch ist zur Arbeit geboren wie der Vogel zum Fliegen. Höhere Kreise - also der Adel in all seinen Ausprägungen - nannten dagegen schon eher Freizeitgestaltung ihr eigen; Jagden zum Beispiel, ausschweifende Gelage und Festivitäten, Ritterturniere, auch das Schöngeistige bis hin zur Minne. Doch auch hier sind klare Unterschiede zu dem zu erkennen, was wir inzwischen darunter verstehen.
 
Ähnlich verhält es sich mit »Sport« im weitesten Sinne. Körperliche Fitneß war nahezu zwangsläufig an das Kriegshandwerk, und ein »Wettstreit« vor diesem Hintergrund eher an die »Vorbereitung auf den Ernstfall« respektive das friedliche Kräftemessen untereinander geknüpft oder eine Veranstaltung zu Ehren der Götter - wenn man an die antiken Olympiaden oder die Ballspiele mittel- und südamerikanischer Kulturen denkt. Am ehesten lassen sich mit »Freizeit und Sport« noch die Aktivitäten zur Zeit des Imperium Romanum als Vergleich heranziehen: Mit panem et circensis, Brot und (Zirkus-)Spiele, der Forderung des römischen Volkes zur Kaiserzeit gemäß Decimus Iunius Juvenal in Saturae, 10,81, erschien zum ersten Mal die »massenhafte Organisation von Freizeit«. Wagenrennen, Gladiatorenkämpfe, umjubelte »Champions«, Wetten mit dem ganzen Drum und Dran - all das klingt irgendwie doch schon sehr viel vertrauter, auch und nicht zuletzt mit Blick auf moderne Massenmedien und den mit ihnen durchaus verbundenen Auswüchsen.
 
Wenn wir nun den Sprung ins beginnende 14. Jahrhundert NGZ wagen, stellt sich zunächst einmal die Frage, inwieweit und in welchem Ausmaß das, was heute als »Freizeit« umschrieben wird, vorhanden ist. Schließlich steht Freizeit in Abhängigkeit der Definition von Arbeitszeit als Komplementärbegriff und wechselt historisch, kulturell und im Rahmen sozialer Entwicklungen. Im Schnitt liegt die Lebenserwartung der Terraner bei 200 Jahren, und schon damit sind sehr viele Möglichkeiten verbunden (siehe PERRY RHODAN-COMPUTER 1995). Höchste Flexibilität, lebenslanges Lernen und vielfaches Umorientieren werden wohl zum normalen Lebenslauf der Bürger der Liga Freier Terraner gehören. Statt der rein quantitativen Betrachtung von Freizeit, wie sie in früherer Zeit häufig an die Wahrnehmung einer regenerativen Funktion gebunden war, wird in der Zukunft viel mehr die suspensive und kompensatorische Funktion prägend sein, sprich: die Fortsetzung von »Arbeit in eigener Regie« (Selbstbestimmung, Weiterbildung, soziales Engagement) wie auch die »Organisation von Erfahrungsräumen«, die von denen der Arbeit weit entfernt sind oder gar nichts mehr mit ihnen zu tun haben (Rückzug in den Freundeskreis und die Familie, Pflege diverser Hobbies, Konsum und Interaktion aller Arten der »Unterhaltung«, Reisen, Sport).
 
Inwieweit die Entwicklung hin zu einer »Freizeitpersönlichkeit« tatsächlich eintritt oder wünschenswert ist, soll bei dieser Betrachtung außen vor bleiben. Mit dem Fußballer Falo Gause jedenfalls wird im Roman ein Beispiel geschildert, wie die Freizeit- und Sportwelt des 14. Jahrhunderts NGZ im PERRY RHODAN-Kosmos aussehen könnte. Es bleibt Euch Lesern überlassen, diese Fäden nach Belieben weiterzuspinnen...


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