Virtuelle Schiffe


Kommentarnummer: 1086

Heftnummer: 1962

Erschienen: 01.01.1970

Betrifft die Begriffe:

Virtuelle Schiffe    

   

Autor:

Rainer Castor

Erster Teil:

1962

Weitere Teile:

            



Virtuelle Schiffe? Etymologische Feinheiten sind naturgemäß Bestandteil eines jeden Translators, so daß davon auszugehen ist, daß eine möglichst exakte Übertragung in geläufige Begriffe erfolgt - und auch beim ersten Kontakt Perry Rhodans mit einem Helioten wird es zu einer entsprechenden Translation gekommen sein. Die Übersetzung »virtuell« läßt sich über das französische virtuel (»fähig zu wirken, möglich«) zum lateinischen virtus (»Tüchtigkeit, Kraft«) zurückverfolgen und offenbart, berücksichtigt man auch die Verwendung in der Optik beim sogenannten »virtuellen Bild«, somit zwei Hauptbedeutungen: Einmal zur Umschreibung von etwas, das »nur scheinbar« da ist, zum anderen wird der Aspekt des Möglichen betont, also etwas, das zwar mit einer Kann-Funktion ausgestattet ist, aber noch keiner konkreten Ist-Umsetzung unterliegt. Rein äußerlich geben die Virtuellen Schiffe in der Tat nicht viel her: Walzen von 450 Metern Länge und 250 Metern Durchmesser, die silbrige Außenhaut von einem Netzwerk umgeben, bestehend aus eineinhalb Meter dicken Rohren. Berücksichtigen wir jedoch, daß zur Fertigstellung der ersten Einheit zehntausend Jahre benötigt wurden und sogar noch für die restlichen eine durchschnittliche Bauzeit von dreitausend Jahren angesetzt wurde, wird klar, daß es sich bei diesen Gebilden um etwas Außergewöhnliches handeln muß.
 
Diese Tatsache wird Alaska Saedelaere rasch vor Augen geführt: Abgesehen von den Hauptgängen, der Galerie mit dem »Bassin« sowie dem Unterkunftskomplex (Komfortausstattung auf 1800 Quadratmetern) bleibt der Rest der VIRTUA/18 unzugänglich. »Hohe technische Packungsdichte, auf der Basis der Lautareen-Methode miniaturisiert« lautet hierzu die Erklärung der nicht sonderlich mitteilsamen Vaiyatha, die sich als Materialisation des Bordcomputers PORAN/18 bezeichnet. Die technischen Einzelheiten sind Alaska nicht bekannt, aber er kann sich durchaus ausrechnen, was diese lapidare Aussage bedeutet: Die äußerlich unscheinbare Gestalt der Walze würde, bei Aufhebung dieser Miniaturisierung, wohl problemlos auf eine »tatsächliche Größe« anwachsen, die der eines Sporenschiffes der Mächtigen in nichts nachstünde - und diese Gebilde besaßen immerhin einen Durchmesser von sage und schreibe 1126 Kilometern! Vor diesem Hintergrund wird die Länge der Bauzeit viel verständlicher, ebenso zumindest ein Aspekt, der zur Bezeichnung virtuell führte; die mit den Virtuellen Schiffen verbundene Aufgabe jedoch nicht. Vom Helioten erfuhr Perry Rhodan, daß die ursprünglich auf zwanzig Einheiten beschränkte »Flotte« in ihrer eigentlichen Funktion maßgeblich von dem K-Faktor genannten »Bauteil« abhängig sein würde (die nicht, wie zunächst geplant, von den Helioten überbracht werden, sondern von den Piloten der Virtuellen Schiffe in der Galaxis Karakhoum abgeholt werden müssen). Die Baolin-Nda vermuteten, daß mit den Virtuellen Schiffen eine energetische Manipulation vorgenommen werden sollte, bei der eine Eigenschaft des Raumes selbst zu verändern sei, und zwar auf einem sehr hohen, kosmischen Niveau. Es kann zur Zeit nur spekuliert werden, was genau das bedeutet. Vaiyatha spricht jedenfalls von einer unter Umständen Jahrtausende beanspruchenden Aufgabe, unter anderem im Kessel von DaGlausch, in dem der PULS entstehen soll, der für den Aufbau von Thoregon unabdingbar ist.
 
Ohne weitere Informationen bringt alles Spekulieren nicht viel, deshalb wenden wir uns zunächst noch einmal den bekannten Dingen zu: Statt zwanzig Einheiten wurden nur achtzehn von den Baolin-Nda gebaut, und Alaskas VIRTUA/18 scheint hierbei nicht ganz fertiggestellt worden zu sein - anders sind die »nicht auszuschließenden Fehlfunktionen« kaum zu erklären, deren Behebung von PORAN/18 vorangetrieben wird. Daß dies kein von heute auf morgen zu erreichender Vorgang sein kann, ergibt sich durch die Lautareen-Methode: Die nur drei Millimeter großen »Mikroben« oder Aggregate, die scheinbar nur die Größe einer Streichholzschachtel aufweisen, erreichen »entzerrt« mitunter leicht die Größe eines Raumers der alten 2500-Meter-Galaxisklasse! Aber jedes dieser Aggregate ist hierbei Teil eines separaten Universums, dessen Ausmaße - bezogen auf das Standarduniversum - naturgemäß einer anderen raumzeitlichen Größendefinition unterliegen. Um ein Modellbild zu gebrauchen: Man nehme ein Tuch, forme viele dicht nebeneinander gepackte »Falten«, und das Ergebnis kommt dem ohne Zweifel recht nahe, was mit den Virtuellen Schiffen verbunden ist - sie stellen nur die direkt sichtbare »Tuchoberseite« dar, während die eigentliche, sehr viel größere Ausdehnung die vielen »Faltenbäuche« darunter betrifft. »Raumzeitliche Ausstülpungen«, die über das Standarduniversum in den Hyperraum hinausreichen und bis zu einem gewissen Grad folglich auch mit den Hypersenken eines Vincent Garron vergleichbar sind.
 
Daß mit dem Rohrnetzwerk sechsdimensionale Zustände erzeugt werden können, die das Virtuelle Schiff bei Bedarf umhüllen, läßt einen Mann wie Alaska naturgemäß aufhorchen: Über Jahrhunderte saß das Cappinfragment auf seinem Gesicht, und gerade die Cappins waren Meister der Dakkartechnik und stießen mit ihren Forschungen auch in den Bereich der 6. Dimension vor. Leider ist es, wie gesagt, zu früh für weitergehendere Spekulationen. Aber wir werden zu gegebener Zeit auf die Virtuellen Schiffe zurückkommen ...
 
Apropos 1962:
John H. Glenn schafft als erster US-Astronaut eine Erdumkreisung; die »Jahrhundertflut« an der Nordseeküste fordert Hunderte Opfer und richtet riesige Sachschäden an; die USA starten eine Versuchsreihe atmosphärischer Atomwaffenexplosionen; Marilyn Monroe stirbt; die Kuba-Krise hält die Welt in Atem; der Literaturnobelpreis geht an John Steinbeck (»Jenseits von Eden«)


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