Letzte Woche habe ich geschrieben, dass ich die Romane des neuen Zyklus gern gelesen habe. Für MMTs aktuellen Beitrag gilt das leider nicht. Außerdem habe ich darauf hingewiesen, dass sich meine Kommentare in der Regel auf Detailkritik beschränken und dass ein Verriss ganz anders klingen würde. Nun, ich fürchte, jetzt ist es so weit. Ich kann diesem Roman nämlich beim besten Willen nur sehr wenig Positives abgewinnen. Gi Barr zum Beispiel - den mag ich. Er handelt konsequent und geht mit der nötigen Härte vor. Man darf nicht vergessen, dass der Mann Soldat ist. Er wurde gefangen genommen und es ist seine Pflicht, seine Vorgesetzten über die Machenschaften der Terraner zu unterrichten. Wer kann es ihm also verdenken, dass er alles daransetzt, um aus der RAS TSCHUBAI zu entkommen und Kontakt mit der Flotte aufzunehmen? Wenn so ein wild gewordener "Einsatzspezialist" dumm genug ist, allein auf Gi Barr loszugehen (dazu gleich mehr), dann muss er sich nicht über das Ergebnis wundern.
Ich sollte mir vielleicht einreden, die anhaltende Dämlichkeit der Terraner im Umgang mit Gefangenen sei eine Art Running Gag in der PR-Serie. Goya ist angeblich der beste Sicherheitsmann in der RAS TSCHUBAI, lässt sich aber auf einen waffenlosen (!!!) Zweikampf mit Gi Barr ein, obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits weiß, dass der Gäone einen TARA-Kampfroboter vernichtet und einen zweiten beschädigt hat, und zwar offenbar mit bloßen Händen, denn seinen Kampfanzug holt er sich erst danach. Wie Gi Barr es geschafft haben soll, zwei hochgezüchtete Kampfmaschinen mattzusetzen? Keine Ahnung. MMT bleibt uns eine Erklärung für diese unglaubliche Meisterleistung schuldig. Jedenfalls verzichtet Goya auch jetzt immer noch darauf, den Mikroinjektor auszulösen, den man Gi Barr implantiert hat. Das macht der pfiffige Epsaler erst, als Gi Barr seine Rüstung schon angelegt hat. Jetzt bleibt das Betäubungsmittel natürlich ohne Wirkung. Jeder Idiot hätte auf die Idee kommen können, dass zu dieser Rüstung so etwas wie der Cybermed eines SERUNS gehört - oder ein Autopilot, der Gi Barr selbst dann noch in Sicherheit hätte bringen können, wenn das Mittel doch gewirkt hätte. Zu "guter" Letzt muss Gi Barr nur noch ein paar Tricks einsetzen, um ANANSI und die gesamte Sicherheitstechnik der RAS TSCHUBAI an der Nase herumzuführen und spurlos aus dem Schiff zu verschwinden.
Der grobe Unfug erfährt eine weitere Steigerung, als der Kommandant der RAS TSCHUBAI zulässt, dass Goya jenen Mann, der von zwei TARAS und einer Semitronik nicht aufgehalten werden konnte, ganz allein verfolgt. Na ja, nicht ganz allein, sondern mit einem halbverrückten Posbi, einem Frischling, der vor Angst stottert, und einem kleinen Schiffchen. Angeblich hat die Zeit zur Zusammenstellung eines größeren, besser ausgerüsteten Teams gefehlt. Ja Menschenskind, dann hätte man Goya ein solches Team halt einfach später hinterherschicken sollen, am besten mit einer LAURIN-Jet, die Gi Barr nicht kommen sehen kann! Karl Marginson wird als Mitglied einer Spezialeinheit der Inneren Sicherheit der RAS TSCHUBAI bezeichnet. Angeblich ist er ein Einsatzspezialist, der ordentlich was auf dem Kasten hat. Dieser tolle Hecht hat jedoch nichts Besseres zu tun, als sich auf einen Nahkampf einzulassen - mit einem Typen, der zwei TARAS ... aber das hatten wir ja schon. Er hätte wenigstens versuchen können, Gi Barr zu paralysieren. Am besten zusammen mit Goya, dem er aus nicht genannten Gründen voranprescht. Muss ich das noch kommentieren? Ich glaube nicht.
Obendrein ist der Roman viel zu weitschweifig. Wegen der Überlänge musste sogar die LKS entfallen. Warum dieser Umfang? Ich kann es mir nicht erklären. Seite um Seite werden die Sturmzonen in Byleists Atmosphäre und dergleichen beschrieben, hinzu kommen die minutiös ausgebreiteten mäandrierenden Gedankengänge Goyas. MMT beschreibt viel, hat aber wenig zu erzählen, das heißt, eine Geschichte will nicht so recht entstehen. Ich habe mich immer wieder beim Querlesen ertappt.
Der Cyborg, ein schönes Beispiel für jene bizarren Schöpfungen MMTs, die mir durchaus gefallen, reißt es nicht heraus. Interessant ist einzig und allein die Erwähnung der GORATSCHIN sowie ihrer Mission. Ich verstehe nur nicht, warum Gi Barrs Weltbild ins Wanken gerät, als er von dem Geheimprojekt erfährt. Er gehört schließlich nicht zur Führungsriege. Auch ein Elitesoldat aus der persönlichen Garde eines Herrschers dürfte mit Sicherheit nicht in alle Staatsgeheimnisse eingeweiht sein - und dass es das erklärte Ziel des Zweiten Solaren Imperiums ist, in der Milchstraße einzumarschieren, ist doch längst allgemein bekannt. Was könnte mit "Q-Zündung" gemeint sein? Soll ein Quasar gezündet werden? Vielleicht gar eine (Materie-) Quelle? (On-/Noon-) Quanten? Geht es gegen die Querionen? Letztere haben ja einen Bezug zum Schwarm, das würde irgendwie passen. Was fängt noch mit "Q" an?
Johannes Kreis 10.08.2017
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