Atlan - Extrasinn aus Atlan - Traversan-Heft 7          Extrasinn - Übersicht

Piraten

von Hubert Haensel

Seit dem geplanten Mordanschlag auf Links-Aubertan, von dem Atlan dank der telepathischen Fähigkeiten Prinzessin Tamarenas da Traversans rechtzeitig erfuhr, sieht er sich einer ständigen Bedrohung von Leib und Leben ausgesetzt; aber das ist schließlich nichts Ungewohntes. Erst der geplante Unfall beim großen Festbankett, danach der überrschende Angriff auf das Zirkusschiff OSA MARIGA kurz vor dessen Transition. Mir ist bewußt - und Atlan weiß das auch, ohne daß ich ihn darauf hinweisen mußte -,daß der Gegner innerhalb kürzester Zeit herausgefunden hat, auf welche Weise dem angeblichen Altao da Camlo die Flucht gelang, nämlich im Käfig des Kjörk-Killersauriers und an Bord des Zirkusschiffs.
Der Unbekannte hat schnell und skrupellos reagiert. Es ist zu erwarten, daß Atlan ihn nicht so leicht abschütteln kann - zweifellos steht die endgültige Konfrontation noch bevor. Spätestens auf Arkon werden sie sich wohl begegnen.
Als die Überlebenden der OSA MARIGA den Planeten Couratto IV erreichten, landete zugleich ein 800-Meter-Schlachtschiff des Imperiums namens ROMAN. Diese Zufälligkeit zu ignorieren bedeutet, mit dem Feuer zu spielen. Zwar besteht die Möglichkeit, daß die ROMAN während des heftigen Hypersturms im Couratto-System auf Warteposition stand und lediglich den Zeitpunkt einer gefahrlosen Landung abgewartet hat - andererseits befürchte ich, und Atlan teilt meine Vermutung, daß dieses Schiff identisch ist mit der Einheit, die am Orientierungspunkt 12-Lokorn das Zirkusschiff ohne Vorwarnung unter Feuer nahm.
Atlan kann sich auf kein Kräftemessen einlassen. Für ihn steht mehr auf dem Spiel als nur die eigene Person - er versucht, dem Volk von Traversan zu helfen und eine Strafexpedition des Imperators zu verhindern. Wenn sich der unbekannte Gegner an Bord der ROMAN befindet, wird er in Kürze wissen, daß Überlebende der OSA MARIGA gerettet wurden, beginnt die Jagd von neuem. Deshalb brennt Atlan die Zeit unter den Nägeln. Der Hypersturm mit seinen unangenehmen Folgen, der zuvor das Ende der OSA MARIGA besiegelte, kommt ihm diesmal zugute, denn mehrere startbereite Raumschiffe werden in Kürze den Planeten verlassen.
Dem Begüterten öffnen sich ungewöhnliche Wege - das ist eine uralte und wohl universell gültige Erfahrung. Sie führt Atlan an Bord eines luxuriösen Passagierraumers und auf schnellem Weg fort von Couratto IV...
... konfrontiert ihn aber leider mit neuen und gänzlich unerwarteten Problemen. Die Alarmsirenen sind noch nicht verstummt, da wird das Schiff geentert.
Es ist nun wirklich nicht das erste Mal, daß Atlan Piraten gegenüber steht; er kennt das blutige Geschäft, das weder mit romantisch verklärter Freibeuterei noch mit Kaperfahrten zu tun hat. Die Springer, die das Schiff erobern, gehen mit äußerster Brutalität vor. Tote Besatzungsmitglieder bedeuten ihnen nichts, denn die PARINDE wird ohnehin niemals mehr auf einem Planeten landen. Nur die Passagiere werden zunächst weitgehend geschont, sie sind die Melkkühe, an denen sich die Piraten schadlos halten.
Dabei wissen die Angreifer, wie schnell sich das Blatt wenden kann. Jeden Augenblick müssen sie damit rechnen, daß weitere Raumer im Bereich des Orientierungspunkts aus dem Hperraum fallen, vielleicht sogar Schlachtschiffe des Imperiums.
Seit dem Jahr 12.166 da Ark besitzen die Springer das galaktische Handelsmonopol, das ihnen von Imperator Reomir I verliehen wurde. Ihre Gesamtflotte dürfte zur Zeit aus mehr als einhunderttausend Großeinheiten bestehen. Aber ihre Macht, die nach außen hin wie eine geschlossene Einheit erscheint, ist im Inneren durchaus bröckelig. Einzelne Springersippen sind untereinander die schärfsten Konkurrenten, und es gibt und gab immer Patriarchen, die andere Wege als den Handel suchten, um ihren Reichtum zu mehren.
Sie sind Parias, die Ausgestoßenen, die sich nicht nur gegen die Gesetze des Arkonidischen Tai Ark'Tussan stellen, sondern als Piraten auch von ihrem eignenen Volk erbarmungslos gejagt werden. Das aber vor allem aus pragmatischen Erwägungen heraus, denn es könnte jederzeit die eigenen Handelsschiffe treffen, und unsichere Orientierungspunkte sind der Alptraum jedes ehrlichen Händlers. Einen "ehrbaren" Springerpatriarchen als Piraten zu bezeichnen, ist nahezu die schlimmste Beleidigung, die man ihm antun kann.
Ich glaube nciht, daß die PARINDE zufällig aufgebracht wurde. Vieles deutet darauf hin, daß die Piraten die Luxusyacht erwartet haben. Das heißt, sie waren rechtzeitig über die Flugrouten informiert. Nur flüchtig denkt Atlan an den Hafenarbeiter, der ihn ausgerechnet an Bord der PARINDE verfrachtet hat. Zufall oder Absicht? Wußte der Mann, daß sein allen Vorschriften zuwiderlaufendes Handeln ohnehin nie aufgedeckt werden würde? Wer so handelt, der scheut auch nicht davor zurück, seine Informationen ein zweites Mal zu vermarkten. Also müssen wir damit rechnen, daß unser Verfolger inzwischen erfahren hat, mit welchem Passagierraumer Atlao da Camlo ihm abermals entkommen konnte.
Angenommen, das Schlachtschiff materialisiert in der Nähe. Werden die Piraten in diesem Fall die PARINDE sprengen, weil sie nur in der dann entstehenden Verwirrung ihre Flucht sichern können?
Wie dem auch sei. Es sieht nicht gut aus.