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Stationäre Transmitter
Beim Prinzip der von den Sayporanern verwendeten stationären oder statischen Transmitter wird der Körper zwar hyperdimensional entstofflicht, aber vom Strukturfeld nicht abgestrahlt, sondern bleibt stationär im Gerät gebunden. In diesem Zustand der statischen Entstofflichung – von Chourtaird als »in Suspension befindlich« bezeichnet (PR 2645) – ist der Körper ausdehnungslos und eins mit den Systemen. Zur Anwendung kommt das Verfahren bei den Organtransplantations-»Pfählen«, den Metallstelen und Miniraumschiffen der Sayporaner sowie bei den Suspensionsbänken auf Saypor.
Dieser Teil der Technik, die sich wohl in absehbarer Zeit dank des überreichten Datenträgers entschlüsseln und reproduzieren lassen dürfte, ist keineswegs so außergewöhnlich, wie es sich im ersten Moment anhören mag. Die akonischen Transmitter-Meister wie auch schon die Lemurer haben Vergleichbares ebenfalls hinbekommen. Bereits Ende Dezember 2436 wurden in der lemurischen Rettungszentrale auf dem Wasserstoff-Ammoniak-Methan-Riesen Scorcher im sogenannten Saal der Erhaltung hundert Anlagen vorgefunden, deren stationäre Hyperfelder als leuchtende, materielose Säulen erscheinen. Zur Suspension enthielt jedes dieser Felder in hyperenergetischer Form die Körpermaterie eines lemurischen Wissenschaftlers.
(...) säulenähnlichen Gebilden, die aus purem Licht zu bestehen schienen und vom Boden bis zur Decke hinaufragten. Die einzelne Säule hatte einen Durchmesser von etwa zweieinhalb Metern und war völlig durchsichtig. Ihr Inneres schien leer. Wynn war sich im Klaren darüber, dass das, was er sah, nur der Effekt der Wechselwirkung zwischen der Randzone des Hyperfeldes und der umgebenden Luft war – ein fortwährender Ionisations- und Rekombinationsprozess, der die Luftmoleküle zum Aussenden sichtbarer Strahlung anregte. Das Hyperfeld selbst und sein Energiegehalt waren unsichtbar. Aber seine Fähigkeit, die naturwissenschaftlichen Zusammenhänge zu durchschauen, half ihm nicht über die Beklommenheit hinweg, die er empfand, wenn er daran dachte, dass jede dieser Säulen ein Leben enthielt. Suspendiertes Leben zwar, dessen Wiedererweckung davon abhing, ob der Rematerialisierungsprozess funktionierte oder nicht, aber doch Leben. (PR 379)
Von den einhundert Konservierten überstand seinerzeit allerdings nur Natrin Koczon die Prozedur; auch er starb kurz darauf. In den nachfolgenden Jahrhunderten gab es wiederholt vergleichbare und funktionstüchtige Umsetzungen – es blieben jedoch eher »Nischenprodukte«, weil es beispielsweise in Form altbewährter Tiefschlafmethoden einfachere Möglichkeiten der Stasiskonservierung gab. Somit bleibt abzuwarten, inwieweit die sayporanische Suspensionstechnik eine breitere Anwendung finden wird oder nicht.
Eine Besonderheit ist nämlich, dass bei der Entstofflichung das Bewusstsein selbst nicht vollständig erlischt, sondern sich mit dem stationären Transmitterfeld »verwebt«. Es kann nicht mehr klar zwischen Realität und Traum unterscheiden. Von Konsul Chourtaird weiß Bull darüber hinaus, dass bei den Suspensionsbänken auf Saypor zum Schutz vor QIN SHI eine »Modulation der ÜBSEF-Konstante« erfolgen soll. Diese Bänke modulieren die ÜBSEF-Konstante der Suspendierten in einem unberechenbaren Rhythmus. Wenn QIN SHI kommt, wird er keinen Zugriff finden. Er geht leer aus. (PR 2687)
Doch damit nicht genug – ganz im Sinne von Delorian ist die Entstofflichung nur der erste Schritt für die anschließende (geistige!) Integration ins Neuroversum an sich. »Ich verspreche dir: ein Leben ohne Leid. Ein Leben, das den Geist erfüllt und ihn zufriedenstellt. Frieden, Reginald, Glück, Gemeinschaft mit allen. Selbst mit denen, die wir verloren geglaubt haben.«
»Und der Preis?«, fragte Bull.
»Der ist gering. Wer mit mir kommt, gibt alles auf, was den Geist leiden lässt.«
»Seinen Körper«, präzisierte Bull. »Das Neuroversum wird alle, die in ihm aufgehen wollen, entstofflichen. Das ist es doch, was du uns anbietest, oder? Das ist, was das Neuroversum ist: ein Leben wie im Bewusstseinskollektiv einer Superintelligenz, nur ohne Superintelligenz.«
»Ist das wenig?«
»Nein«, sagte Bull. »Vielleicht nicht. Vielleicht ist es sogar zu viel.«
(...) Er hatte seine Antwort auf die Frage an Delorian, wie denn der Übergang in das verheißene, unverwundbare Land vonstattengehen sollte. Die Suspensionsbänke waren nichts anderes als das Tor zu Delorians künstlichem Paradies. (PR 2687)
Rainer Castor
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