Verhöre


Kommentarnummer: 1106

Heftnummer: 1982

Erschienen: 01.01.1970

Betrifft die Begriffe:

   

   

Autor:

Rainer Castor

Erster Teil:

Weitere Teile:

            



Der Wunsch, an spezifische Informationen anderer respektive Wissen allgemein »heranzukommen«, insbesondere natürlich an die des »bösen Feindes«, um sie dann als Waffe oder zum eigenen Schutz zu gebrauchen, ist vermutlich so alt wie »Zivilisationen« an sich. Wenn man den Begriff »Information« möglichst allgemein sieht und die Effekte natürlicher Anpassung einschließt, lassen sich im übertragenen Sinne sogar entsprechende Methoden im Tier- und Pflanzenreich ausmachen - etwa bei diversen Mimikry-Spielarten oder parasitären wie symbiontischen Lebensgemeinschaften. Zivilisierte Gesellschaften sprechen statt von »Verhör« lieber von »Vernehmung«, und die bei solchen Prozeduren gesetzmäßig verbotenen Dinge - Mißhandlung, Schlafentzug, körperlicher Eingriff, Verabreichung von Drogen, Quälerei bis zur psychischen und physischen Folter, Täuschung oder Hypnose - zeigen mehr als deutlich, was im einzelnen an Mißbrauch alles möglich ist …
 
Die Umschreibung »Wahrheitsfindung« artet mitunter ziemlich schnell in ein »Umdrehen« oder gar »Gehirnwäsche« aus, und die zur Anwendung kommenden Methoden reichen hierbei vom Einsatz barbarischer Mittel, sprich Daumenschrauben und vergleichbare Annehmlichkeiten, bis zu einer subtil-psychologischen Beeinflussung. Dem Erfindungsreichtum scheinen hier keinerlei Grenzen gesetzt - insbesondere Atlan kann da auf einen reichen Erfahrungsschatz seiner haßgeliebten Barbaren von Larsaf III zurückblicken. Spielt Fanatismus mit hinein, nicht zuletzt auch und vor allem aus religiöser Motivation, mag der Wunsch nach »Bekehrung« eine gewichtige Rolle spielen - für den Delinquenten wird die Prozedur deshalb keineswegs angenehmer, ganz im Gegenteil. Auswüchse einer verdrehten Logik, wie sie der mittelalterlichen Inquisition auf der Erde innewohnte, besiegeln sein Schicksal so oder so: Angeklagte, die beim Vorwurf der Ketzerei und ähnlich schwerwiegenden Anschuldigungen ein Geständnis ohne peinliche Befragung ablegten, brauchten sich über ihr weiteres Schicksal kaum Gedanken zu machen, sie waren ja schuldig. Hartnäckiges Leugnen dagegen, ein Überstehen der peinlichen Befragung ohne das Ablegen eines Geständnisses, stand dann weniger für die Wahrhaftigkeit der Aussage, als vielmehr für die erwiesene Unterstützung oder die Hilfe durch teuflischer Mächte.
 
Das Urteil unterschied sich für den Gefolterten dann bestenfalls in der Form, nicht im Ergebnis - für viele dürfte überdies der Tod dann eher eine Erlösung gewesen sein ... Als Steigerung von »Verhör« ist das totale Brechen des Verhörten zu sehen, seine psychische wie physische Vernichtung, einhergehend mit Demütigung, Verleumdung, Beschimpfung, Kränkung, Vergewaltigung und so weiter, nicht selten verbunden mit dem ungehemmten Ausleben sadistischer Neigungen der »Foltermeister«. Haß auf das gequälte Opfer, die von ihm vertretenen Überzeugungen oder dessen Glauben, kommen dem abartigen »Spielchen« naturgemäß zugute - totale Emotions- und Leidenschaftslosigkeit ist das andere, im Ergebnis jedoch kaum zu unterscheidende Extrem. Die verwendeten Verhörtechniken unterscheiden sich im einzelnen ebenso wie die mit dem Verhör an sich verbundenen Zielsetzungen.
 
Rechtsstaatliche Vernehmung ist an die geltenden Gesetze gebunden. Unrechtmäßig gewonnenes Wissen verliert demzufolge vor Gericht seine Beweiskraft. Überdies besitzt der Verhörte Grundrechte, auf deren Einhaltung strikt geachtet wird; ihm steht das Aussageverweigerungsrecht ebenso zu wie die Konsultation eines Verteidigers. Außerdem muß ihm Gelegenheit gegeben werden, zu seinen Gunsten sprechende Dinge geltend zu machen, die Verdachtsgründe beseitigen können. Autoritäre oder diktatorische Gesellschaften kennen naturgemäß im Rahmen ihrer »Gesetzmäßigkeit« die entsprechenden Steigerungen; Folter als Befragungsmethode ist vor diesem Hintergrund aus Sicht der Verhörer naturgemäß kein das Gewissen belastendes Delikt, sondern rechtmäßiger Bestandteil des Verhörs. Fürchterliche Quälereien werden dann nicht einmal als solche empfunden, weil man sich ja buchstabengetreu an Recht und Gesetz hält …
 
Totale Machtausübung spielt hierbei eine wesentliche Rolle: Individuelle oder gesellschaftliche Freiheit sind naturgemäß Dinge, die sich mit dem umfassenden Herrschaftsanspruch einer Diktatur nicht vereinbaren lassen - egal, ob diese Diktatur nun von einem Einzelnen, einer kleinen Gruppe oder wie auch immer ausgeübt wird. Ziel ist demnach eine Ausschaltung von »Opposition«, sei sie nun im Inneren vorhanden oder von außen durch »den Feind« herangetragen. Mit dem verharmlosenden Wort »Umdrehen« ist folglich nicht nur die Ausschaltung des widerspenstigen, als Gefahr eingestuften Elements verbunden, sondern häufig auch ein sich durch Aspekte wie gezielte Desinformation, Infiltration des Feindes, Gegenspionage und so weiter ergebendes Szenario bis hin zu Einsatzformen beim Feind, die Sabotage, Zersetzung und dergleichen beinhalten. Spielen darüber hinaus Aspekte wie Rassismus, gesellschaftlicher und/oder religiöser Fanatismus bis hin zum Terror, »Herrenmenschen-Mentalität« und ähnlich aberwitzige Auswüchse hinein, wächst das »Verhör« meist zur puren Vernichtungsform heran, im Extrem sogar gesteigert bis zum gezielten Massenmord und Genozid von allem als »Feind« Eingestuften.
 
Apropos 1982: Großbritannien und Argentinien kämpfen im Falkland-Krieg; Helmut Kohl wird Bundeskanzler; Deutschlands erstes Retortenbaby kommt zur Welt; Fürstin Gracia Patricia (Grace Kelly) erliegt den Folgen eines Autounfalls; Film des Jahres ist »E.T. - Der Außerirdische«; es sterben: Romy Schneider, Rainer Werner Fassbinder, Carl Orff; Nicole gewinnt als erste Deutsche den Grand Prix Eurovision de la Chanson


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